Bulletin No. 1

07 FEHLURTEIL

Justiz: Am Ende der Gerechtigkeit

Vor Kurzem besuchte ich Wien und fuhr mit der Straßenbahn. Am Ring, vorbei am Parlament, vor dem das Monument der Pallas Athene steht, beugte sich ein älterer Herr zu mir herüber, und sagte im liebenswürdigen Wiener Dialekt: „Wissen´s was, i glaub´, die Justitia ist a bisserl pervers.“ Hier sei der Irrtum des alten Herrn aufgeklärt: Die Pallas Athene galt im alten Griechenland als Göttin der Weisheit, der Strategie und der Kunst.

hammerDie Justiz im Visier: „Die Gerichte flüchten sich zu oft in Floskeln“, so Dr. Dieter Böhmdorfer ehem. Justizminister. Und Dr. R. Schmidt in einer Studie: „Fachleute gehen davon aus, dass bei Zivilverfahren über 10% Fehlurteile ausgefertigt werden und ca. 25% der Urteile falsch sind. Dies ist zum Teil auf mangelnde fachliche Kenntnisse und zum Teil sogar auf mangelnde charakterliche Eignung einiger Richter zurückzuführen.“ Ende des Zitates. Warum sollte es in Österreich anders sein?
Und an anderer Stelle weiter: „Dabei kann es jeden Bürger treffen. Ein Falschgutachten, unredlich arbeitende Richter und schon ist der Betreffende für sein Leben ruiniert.“

Mehr zu: 25% der Urteile sind falsch LINK 29

Die ehrenwerte Richterin Marlene Perschinka fällt ein Urteil. Die erst einige Zeit später ankommenden Beweise des Nichtverschuldens werden dem Gericht vorgelegt. Richterin Perschinka benennt sie Schriftsatz. Und Schriftsätze dürfen nachträglich nicht eingereicht werden. Die ehrenwerte Richterin Marlene Perschinka wischt die Beweise des Nichtverschuldens zur Seite, sie berücksichtigt und bewertet sie nicht und fällt ein Urteil. Sie verweist dabei u.a. auf die Rechtsauslegung eines besonders streng beurteilenden Sachverständigen, einen gewissen Herrn Mohr. Es gibt auch andere Meinungen. Die Richterin Perschinka hat eine falsche Vorstellung von der Wahrheit und so ergeht ein Urteil zu einem nicht richtigen Tatsachenbild. Ein Falschurteil, das mit Gerechtigkeit nichts zu tun hat. Justizminister Wolfgang Brandstetter: Nicht alles was, was moralisch zum Himmel stinkt, ist auch strafbar.

Mehr zur ehrenwerten Richterin Marlene Perschinke erfährt man, wenn man googelt.

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat erstmals eine erweiterte Haftung für Fehlurteile der Justiz eingeführt. LINK 30
Mehr zu: Prof. Seidel, Humboldt Universität, Berlin, der sagt, wenn der Rechtsuchende auf einen Richter stößt, der eben seine Launen auslebt oder der nicht plausible Entscheidungen trifft… LINK 31

Universitätsprofessor Doktor Andreas Konecny
Zur Problematik bei Gerichts- und Insolvenzverfahren gibt es eine exemplarisch beispielgebende Expertise. Universitätsprofessor Doktor Andreas Konecny hat schon im Jahre 2008 – im Auftrag der Regierung – ein Gutachten zum komplexen Rechtsgebiet erstellt. Dieses brillante Gutachten zeichnet sich aber nicht nur durch allerhöchste fachliche und sachliche Kompetenz und Qualität aus, sondern es zeigt ein für ein hochwissenschaftliches Werk tief beeindruckendes Wissen um profane Probleme im täglichen Leben. Professor Konecny hat, wie man sagt, den Finger hautnah am Puls der Zeit. Sein Werk mit dem Titel„Wissenschaftliches Gutachten für das Bundesministerium für Soziales und Konsumentenschutz“ beschreibt schon 2008! die Problematik bestehender Mängel und Regelungsdefizite im Konkursrecht und Vollzug. Doch Konecny beschreibt nicht nur die prekäre aktuelle Lage, sondern er bietet auch kluge, klare und von Lebenserfahrung getragene Lösungen an. Dass seit 2008 nichts passiert ist, ist nicht seine Schuld.

Weiter mit Professor Konecny: „Die sofortige Restschuldbefreiung sollte allen Personen gewährt werden, deren Schulden im Vergleich zu ihren Verdienstmöglichkeiten unverhältnismäßig hoch sind. Angesprochen sind hier vor allem Verbindlichkeiten aus gescheiterter Unternehmertätigkeit oder ehemalige Gesellschafter bzw. Geschäftsführer, die in großem Umfang Haftungen für Gesellschaftsschulden treffen. Solche Personen werden oft selbst bei angemessener Erwerbstätigkeit weit unter der Mindestquote bleiben. Soll ein Abschöpfungsverfahren nicht von vornherein sinnlos sein, muss am Verfahrensende die Aussicht auf Restschuldbefreiung stehen. Bei solchen Schuldnern durften die Konkursgläubiger von Beginn an nicht mit einer nennenswerten Quote rechnen.

Und noch eine Erkenntnis: „Wenn über 150 Insolvenzgerichte erster Instanz und rund 20 Rechtsmittelgerichte diese und viele andere Fragen beantworten, ist neben erheblicher Rechtsunsicherheit auch massive Ungerechtigkeit zu erwarten. „Sprengeljudikatur“ wird bei manchen Gerichten die Restschuldbefreiung einfacher, bei anderen schwer machen. Bis der OGH hier ausgleichend eingreifen kann – sofern Revisionsrekurse überhaupt statthaft sind, wird erhebliche Zeit vergehen.“

Da es bisher keine Lobby für Justizgeschädigte durch unfaire Zivilverfahren gibt, dringen diese an sich gravierenden Missstände bisher nur selten an die Öffentlichkeit. Das ist der Preis, weil das Privileg der richterlichen Unabhängigkeit über die Gerechtigkeit gestellt wird. Um ein wenig Humor in diese triste Story einfließen zu lassen: Der Zugang zum Recht ist ja ok. Allein der Abgang ist es. Es wundert also nicht, wenn allenthalben der Ruf nach einer „gerechteren“ Justiz erschallt.

LINK: Das gesamte Gutachten Prof. Konecny im Internet auf:http://www.sozialministerium.at/­cms/site/attachments/6/7/1/­CH2247/CMS1229355722213/­konecny_-_gutachten_­moeglichkeiten_erleichterter_­restschuldbefreiung_natuerlicher­_personen.pdf
Hier zum Artikel von Anneliese Rohrer in der Presse: Die verlorene Ehre der Justiz LINK 32

Der Ruf nach einer funktionierenden Qualitätskontrolle in der Justiz ist unüberhörbar. Unabhängig, nur dem (jeweils ausgelegten) Gesetz verantwortlich, amtieren Richter auf Lebenszeit. Politische Gruppierungen und auch wir vom BSG fordern unter dem Aspekt der Selbstreinigung die Einführung des Instituts einer Richterhaftung. Der frühere BZÖ-Chef Peter Westenthaler wünscht sich sogar, dass sich auch Anklagebehörden vor dem Parlament verantworten müssen. Aber das ist schon wieder eine andere Geschichte.

Mehr zu: Wie kommt man dazu? Westenthaler fordert Justizreform LINK 33
Mehr zu: Schutz der Überschuldeten LINK 34
Haftung für Richter. Eine Forderung der Männerpartei LINK 35

Im Gegenzug fordern Richter jetzt ein Gesetz zum Schutze der Justiz. Grund: Persönliche, diffamierende Angriffe hätten zugenommen. Wieso? Vielleicht weil immer mehr Menschen dahinter kommen, dass es immer mehr wenig plausible Entscheidungen gibt?